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Welcome to Miami

The birdcage alias Carlyle am Ocean Drive.

Tanja und ich haben heute richtig lange und gut geschlafen. Was  angesichts der Ballermann Geräusch-Kulisse unter uns eigentlich schon an ein Wunder grenzt. Unser Zimmer im ersten Stock des Room Mate Waldorf Hotels zeigt es deutlich: Der Ocean Drive ist die Fetenmeile Miamis: Überdimensionierte Getränkegrößen zu noch größeren Preisen. Laute und bassige Musik dröhnt aus den Diskotheken und knapp bekleidete Damen wollen einen beim Passieren in die Eingäge ihrer Bars schwätzen. Auf den riesigen Flatscreens in den Kneipen laufen irgendwelche Sportevents und auf der Straße queren an jeder nur möglichen Stelle Partypeople zwischen den an ihrem Publikum vorbeischleichenden Sportwagen in deren polierten Lack sich die bunten Neonlicht-Reklamen der Umgebung spiegeln.

Ob wir Sonny Crockett hier gleich treffen?

Was sich hier von dem unterscheidet, was in Palma de Mallorca zu sehen ist, sind schicke Art Deco Häuser statt Betonbunker und es geht insgesamt weniger prollig zu, zumindest ist das mein persönlicher Eindruck. Der Cineast in mir lässt Miami Beach geradezu als Kulturzentrum filmischer Kunst emporheben: James Bond: Goldfinger, Bad Boys, Wild Things und – na klar – The Birdcage mit Robin Williams. Welche Stars und Filme sich an diesem Ort wohl schon die Hand gereicht haben. Meine Gedanken schweifen in unser Hotelzimmer zurück. Trotz allem konnten wir wie gesagt schlafen und dies auch trotz der schwierigen Tatsache, dass Tanja und ich uns eine einzige Bettdecken teilen müssen. Dafür ist das Bett selbst in Bezug auf den Liegekomfort aber sehr luxuriös.

Diner aus Will Smith’s Musikvideo.

Zum Frühstücken im Hotel ist es bereits viel zu spät. Also zücke ich mein iPad, um mir frühstückstechnisch tripadvisorisch unter die Arme greifen zu lassen. Ich finde ein typisch amerikanisches Diner ganz in der Nähe, welches top bewertet ist. Ja das passt, da gehen wir hin. Tanja und ich machen uns fertig und flanieren dann gemütlich durch die angenehme Sonne Floridas bis wir schließlich auf der Terrasse des Diners Platz nehmen. Ich nehme wieder mal mein obligatorisches vegetarisches Omelette. Das scheint sich zu meinem Favorit hier zu entwickeln und dazu – ganz im Sinne des Self-Licensings – eine halbe Mango. Tanja bestellt einen mediterranen Mix aus Gemüse. Die Terrasse des 11th street Diners ist ein schöner Ort an dem wir den Amis dabei zusehen können, wie sie größte Mühe geben, bestehenden Klischees zu entsprechen. Krebsrote Arme und Fußrücken von ansonsten komplett weissen Menschen. Es scheint entweder nur füllige Personen zu geben oder diejenigen die in ihren modischen Sport-Klamöttchen auch dann nicht die In-Earphones aus ihren Ohren nehmen, wenn sie ihr Vitalbrei mit Früchten löffeln. Als wäre es nicht das Kabel zur Power-Workout-Playlist, sondern das zu ihrer einzigen Energiequelle. Die meisten trinken zu ihrem Frühstück einen Becher voller Eiswürfel gefüllt mit irgendeiner Flüssigkeit ihrer Wahl. Hauptsache, sie ist süß. Wenn sie gehen verbleiben ihre Becher zwar ohne Getränk auf dem Tisch aber sie sind noch immer bis tur Hälfte voll mit Eis.

Das Wasser in Getränken bleibt immer zurück.

Unwissentlich stelle ich unsere Bedienung mit der Bestellung einer halben Mango vor ungeahnte Herausforderungen. Erst nimmt sie meine Bestellung an, dann kommt sie zu uns zurück und bittet höflich um Entschuldigung dafür, dass ihnen die Mangos ausgegangen sind… was ja nun an sich kein Weltuntergang ist. Ein paar Minuten später kommt sie freudestrahlend mit der Nachricht zurück, dass es jetzt doch Mangos gäbe und fragt, ob ich immer noch eine Hälfte von diesen haben möchte. Das tue ich natürlich und nicke. Während ich mich kurz frage, wo sie denn jetzt eigentlich so plötzlich ein so wohlschmeckendes Exemplar dieser Frucht aufgetrieben haben, kommt auch schon die immer freundlicher werdende Bedienung erneut an unserem Tisch. Sie berichtigt sich abermals und gibt zu, dass die Sache mit der Mango wohl eine Falschmeldung ist, der sie unglücklicherweise aufgesessen sind.

Supermarkt mit Selfservice Getränkeautomaten.

Erst später und durch einen Link zu einem Youtube-Musikvideo, den mir Verena per Whatsapp geschickt hat, fällt mir auf, dass Will Smith’s Miami-Video ebenfalls mit eirner Szene beginnt, die in diesem Diner spielt, aus dem wir gerade eben wieder auf Miamis Straßen treten. Das Wetter ist schön, zwar alles andere als wolkenlos, aber warm und immer wieder lugt die Sonne hervor. So beschließen Tanja und ich zum Strand zu gehen. Bevor wir das tun, möchten wir uns aber im nahegelegenen Supermarkt etwas zum Trinken kaufen. Im Innern fällt sofort auf, dass es hier nicht so leicht wird, etwas annähernd Gesundes zu finden. Und wenn man das schafft, dann bekommt man z.B. Obst in stabilen und festen Einwegplastikgefäßen, die dann aber zumindest in einer eigenen Mülltonne für Plastik weggeworfen werden kann. Dann ist doch alles gut, oder? Was es im Markt gibt sind viele Selfservice Softdrink- und Kaffeeautomaten. In ihrer Menge und Größe sind sie fast schon ein wenig furchteinflößend. Aber so geht es mit Obst und Wasser ausgestattet fröhlich zum Strand.

Immer höher wachsende Hochhäuser.

Dort angekommen geht es sehr stürmisch zu. Dieses Bild aufbrausender Wellen vor bedrohlichen Wolkengebilden entspricht zugegebenermaßen nicht ganz dem wie ich mir von diesem Ort vorgestellt habe. Es gibt aber hin und wieder Sonne und es ist warm genug, dass Sandstrandtouristen auch diesen Abschnitt des Miami Beach säumen. Etwas weiter weg sehen wir die Lichter von einigen Polizeiautos. Bisher verging kaum ein einziger Tag an welchem wir diese Lichter nicht irgendwo zu sehen bekommen. Hier überwachen sie wohl den Aufbau von riesigen Zelten, die für das morgen beginnende South Beach & Food Festival aufgebaut werden. Aber es ist klar: Heute ist es nicht möglich Schwimmen zu gehen. Selbst das Wagnis einiger, die bis zu den Knien im Wasser stehen, erscheint uns zu als zu riskant. Wir setzen uns hin und beobachten die Szenerie. Eine Möwe schafft es ein halbes Brötchen (wer zum Teufel wirft hier mit Brötchen um sich, um Möwen zu füttern?) zu ergattern. Das wiederum sehen Dutzende seiner Artgenossen und es beginnt eine wilde Verfolgungsjagd über den Köpfen herumliegender oder im Sand watender Menschen. Beeindruckende Flugmanöver machen dieses Schauspiel sehr unterhaltsam. Als wir wieder zurück zum Hotel gehen, hat die Möwe bis auf zwei letzte Verfolger die komplette fliegende Gefolgschaft erfolgreich Abschütteln können. Hart verdientes Brot möchte ich sagen.

Mit dem Bus durch die Stadt.

Zurück im Hotel ziehen wir uns um, für eine Hop on – Hop off Tour durch die Stadt. Die Station zum Einstieg liegt unserem Hotel Waldorf Tours zwar nahe, aber da Tanja und ich aufgrund fehlender Kennzeichnung auf der falschen Straßenseite warten und kurz bevor wir rüberspurten wollen ist die Fußgängerampel auf ‚Hand‘ gesprungen. Wir befürchten schon es nicht zu schaffen. Doch dann wirkt es fast so als würde die Ampel unszuliebe, die Autos etwas früher zu einem Stop zwingen als normalerweise. So gelingt es uns doch noch auf den gerade losfahrenden Bus aufzuspringen. Das war knapp, zumal es der letzte Bus ist, der die Route unserer Tour an diesem Tag fahren wird. Wir lassen uns günstige Kopfhörer geben, die als wir sie in zugehörige Buchsen auf dem Oberdeck einstöpseln tatsächlich für beide Ohren funktionieren. Meistens streikte eine Seite bei ähnlichen Touren in anderen Städten. Die Audiospur für die Rundfahrt sollte es zwar in vielen Sprachen geben, was jedoch nicht stimmt. Auf allen anderen der 12 Sprachkanäle läuft lateinamerikanische Musik, was ja auch schön und durchaus passen ist.

Dennoch entscheiden wir uns für Kanal 12 und lauschen einer kleinen Frau, die sich keinen Millimeter bewegen muss, wenn niedrige Palmwedel, Ampeln oder gar Brücken Fahrgäste zum Ducken zwingen. Sie macht diese Tour offensichtlich nicht zum ersten Mal. Während wir mit ihr durch die sonnengewöhnte Umgebung fahren hagelt es Informationen. Die wichtigsten sind: Miami ist eine junge und extrem schnell wachsende Stadt. Sie hat etwa 420.000 Einwohner. In ihrer Metropolregion leben etwa 5,5 Millionen Menschen. Die Stadt liegt mit 1,20 m praktisch auf Meereshöhe und gehört als Hurricane geplagte Stadt zu den vom Klimawandel und steigendem Meeresanstieg am stärksten bedrohten Städtender USA. Trotzdem verbietet der Gouverneur von Florida seinen Mitarbeitern die Verwendung des Begriffs Klimawandel. Miami steht auf wasserdurchlässigem Kalkgestein und lässt sich somit nicht mit Dämmen schützen. Millionenteure Investitionen in Pumpen und die Höherlegung von Straßen sorgen heute dafür, dass große Stadtareale nicht mehr unter Wasser stehen müssen. Für die nächsten 50-60 Jahre soll das funktionieren. Danach werden diese Maßnahmen aber auch nicht mehr ausreichen. Alle Warnungen zum Trotz bauen Immobilienmogule weiter immer weitere und höhere Gebäude. Die Skyline von Miami ist schon jetzt die vierthöchste der Vereinigten Staaten. Zu verlockend ist das Geld mit den vielen Meerblick-Zimmern.

Wartezeit: mit unserem Busfahrer kein Problem.

Wir fahren noch an dem Ort vorbei an dem Sonny Crockett’s Hausboot aus Miami Vice ankerte. Dann steht für die Rückfahrt ein Buswechsel an und alle müssen aussteigen. Sich ein wenig zu bewegen tut ja aber auch ganz gut. Das dauert alles viel länger als vorgesehen, weil ein Bus ein technisches Problem hat. Für einen aus Kuba stammenden Busfahrer, der mindestens vier Sprachen spricht, ist das kein Problem. Mit breitem Lachen im Gesicht, flotten Sprüchen und Merengue tanzend schafft er es spielend alle wartenden Menschen mit seiner guten Laune anzustecken. Schließlich geht es dann aber doch über eine zugige Brücke an Fishers und Star Island vorbei zurück nach Miami Beach. Dort flanieren wir noch ein wenig gemütlich über die aufdrehende Partymeile bevor wir ins Hotel zurückgehen.

Andreas

Wow 5 Wochen!!! Nach der Hochzeitsreise von Tanja und mir vor drei Jahren in Neuseeland dachten wir eigentlich, dass wir nicht wieder die Gelegenheit bekommen würde nochmal ähnlich lange am Stück auf Reisen zu gehen. Doch sie kam erneut und wir werden sie nutzen, um die Ost- und Westküste der USA sowie Hawaii zu besuchen. Es lässt sich kaum beschreiben, wie sehr wir uns darauf freuen.

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  • Wow ! two thumbs up! I feel like I have just traveled through Miami. That was very exciting! You are on an amazing adventure! Such a happy photo, Tanja! That man loves his job. Writing such an interesting detailed report must be a lot of work. Thank you for sharing your travels.
    Wishing you continues happy traveling.

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Andreas

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