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Wie ein Vogel über dem Canyon

Mit diesem Helikopter geht es bald los.

Wir haben richtig gut geschlafen, das ist offensichtlich. Normalerweise sind wir nämlich schon deutlich vor 8 Uhr morgens wach. Heute ist das anders. Wir nutzen die Zeit bis zum Checkout voll aus. Dies wiederum führt dazu, dass wir für das Frühstück zu spät aufschlagen: „Sorry folks, it’s closed. You are a little bit too late.“ Ok wir haben noch einen Termin mit Papillon Helicopters heute morgen und somit nicht unbegrenzt viel Zeit, etwas Ansprechendes zu finden. Wir gehen aus dem Hotel hinaus und stapfen durch den Schnee zu McDonald’s. Natürlich erwartet uns dort kein kulinarisches Highlight, aber wir haben etwas im Bauch bevor es in die Luft geht. Da Tanja an Höhenangst leidet, ist dies ein entscheidender Fakt. Auf nüchternen Magen wäre der bevorstehende Hubschrauber-Rundflug für sie undenkbar.

Erst einmal geht es nur über Bäume

Vom Hotel zum Hubschrauber-Startplatz sind es keine 5 Minuten. Ich habe heute morgen ein wenig im Internet gesucht, welche Rundflüge in der Gegend so angeboten werden. Eine Reihe hätten wir theoretisch sogar direkt ab Las Vegas antreten können. Nur dann bestünde der größte Teil des Fluges aus der Strecke von Las Vegas bis zum Grand Canyon und es würde dann auch nur der vordere westliche Teil des Canyons angeflogen. Meine Entscheidung fällt auf den größten Anbieter Tusayans für Grand Canyon Rundflüge am South Rim. Ich rief dort an, ließ mir die Rundflug-Optionen erklären. Tanja und ich entschieden uns dann gemeinsam für den dreiviertelstündigen Rundflug über South und North Rim hinweg. Ich hoffe wirklich sehr, dass sie ihn genießen kann und ihr nicht schlecht werden wird. Wir stehen vor dem Terminal-Desk genau innerhalb eines am Boden aufgemalten Vierecks. Dies ist eine Waage, Personen über 120 kg dürfen nämlich nicht mitfliegen.

Aber dann fliegen wir über die Kante des Canyons.

Unsere Reservierung wird glücklicherweise auf Anhieb gefunden und so schickt man uns auch sofort zur Sicherheitsunterweisung in einen gesonderten Raum. Dort sehen wir ein kurzes Video zu den Sicherheitsvorkehrungen im Helikopter. Wir müssen keine halbe Stunde warten, dann werden wir auch schon aufgerufen. Wir bekommen eine Schwimmweste in Form eines gelben Päckchens um den Bauch geschnallt. Ich muss etwas grinsen dabei. Wozu soll die eigentlich gut sein? Wenn wir abstürzen, dann zielt der Pilot auf den Colorado River ganz unten in der Schlucht als Absturzort, damit die Schwimmwesten zuvor vielleicht noch ihrer Bestimmung zugeführt werden können? Nun gut, das wirkt zumindest professionell und vertrauensbildend.

Unten können wir den Colorado River gut sehen.

Jetzt geht es los. Wir und ein weiters Paar aus Frankreich und zwei von ihren Eltern werden nach draußen zum Helikopter gebeten. Im Sicherheitsvideo hieß es noch, wir sollen keine Fotos in der Nähe der laufenden Rotoren machen. Wir nicht, aber der Mann vom Veranstalter mit seiner dicken Kamera darf uns fotografieren? Diese Logik erschließt sich mir nicht, ist ja aber auch egal. Der Hubschrauber sieht sehr modern aus und hat übergroße Scheiben. Wir werden mit 4-Punkt-Gurten ordentlich festgezurrt und bekommen dann das Headset auf den Kopf gesetzt. Sofort wird es angenehm ruhig und können auf die Frage des Piloten, ob es uns gut geht mit einem erwartungsfrohen „Yes we are!“ antworten, obwohl ich eigentlich nur mich sprechen höre. Den anderen hat es offensichtlich jetzt schon die Sprache verschlagen.

Unten ist es schön warm, weiter oben liegt Schnee.

Ehe wir uns versehen gibt der Pilot Gas, die Rotorblätter drehen sich immer schneller und schneller. Wir heben ab und parken sozusagen rückwärts aus den neben uns stehenden Helikoptern aus. Jetzt geht es vorwärts weiter. Aus dem Headset läuft Danger Zone von Top Gun und alle Insassen beginnen nahezu synchron im Takt des so passenden Liedes mit dem Kopf zu wippen. Also wenn die Menschen in den USA eines wirklich richtig gut beherrschen, dann ist es die Inszenierung von unglaublichen Erlebnissen. Wir fliegen über die Wälder einen großen Bogen Richtung Osten. Die Passagiere – also wir – sollen bloß nicht zu früh etwas vom überwältigenden Anblick des Grand Canyon zu sehen bekommen. Dann kann ich die Kante in die Tiefe der Schlucht dennoch erahnen. Die Musik wechselt. Sie spielt nun klassische, wiederum sehr passende Musik mit theatralischem Chor. Perfekt getimed fliegen wir in der Sekunde eines lauten Beckenschlags des Orchesters über den Rand: Gänsehaaauut! Wow es lässt sich schwer beschreiben. Diese plötzliche Weite in jegliche Himmelsrichtung vor und sogar unter uns fühlt sich sensationell an. Wir alle können nichts mehr sagen, da wir überwältigt sind, von dem was wir sehen. Instinktiv möchten wir uns im ersten Moment über der Schlucht an irgendetwas festhalten.

Wir durchfliegen die zerklüftete Landschaft des Canyons bei einfach strahlendblauem königlichem Wetter. Die Sonne bringt jede Rot-, Orange- und Braun-Nuance perfekt zur Geltung. Unten im Tal reflektiert die Sonne auf diesem scheinbar winzigen Flüsschens, der jedoch dieses imposante Naturdenkmal über Jahrmillionen hinweg erst geschaffen hat. Ich bin so begeistert von dem Schauspiel, welches die Natur uns gerade gibt, dass ich gar nicht mitbekomme, dass Tanja bereits in ihre aus weiser Voraussicht mitgebrachte Plastiktüte guckt. Schade. Jetzt als ich darauf achte, muss ich tatsächlich sagen, dass unser Hubschrauber doch ganz schön holprig durch die Lüfte hüpft. Vielleicht macht sich der Temperaturunterschied vom heißen Tal und den kalten schneebedeckten Hügeln an den Schluchtgrenzen durch Thermik-Turbulenzen bemerkbar. Aber da bin ich kein Experte. Zu diesem Zeitpunkt hofft Tanja bereits darauf, dass wir im Landeanflug sind. Stattdessen sind wir aber noch auf der anderen Seite des Canyons und müssen oder dürfen (je nachdem wer von uns beiden das beurteilen müsste) den Canyon nochmals erneut überfliegen. Toll ist aber zweifelsohne, dass unsere aufgesetzten Kopfhörer absolut schalldicht isoliert sind.

Tanja schlägt sich unter diesen Umständen gut.

Da kaum ein Fluggast in der Lage ist zu sprechen, hören wir indes nahezu die ganze Zeit über Musik, die unser visuelles Erlebnis angemessen musikalisch untermalt. Letztlich nehmen wir dann aber doch wieder Kurs auf den Flughafen. Sin die 45 Minuten wirklich schon vorbei? Fie Reiseübelkeit bei Tanja muss auch irgendwie durch eine psychologische Komponente zumindest mit ausgelöst werden, denn ihr geht nicht erst in dem Moment besser, wo uns die Erde wieder hat, sondern bereits als wir den Canyon überflogen haben und nur noch Wald unter uns ist. Ich bin verwundert über Tanjas Reaktion nach dem Flug. Denn ich dachte, jetzt lässt sie sich darüber aus, wie schrecklich alles war. Stattdessen sagt sie, dass sie unsere Erfahrung auf diese Weise über den Grand Canyon zu fliegen wunderbar fand. Respekt, das ist wirklich tough!

Das Venetian wartet zwar in Las Vegas, aber wir können jetzt nicht einfach so weiterfahren. Tanja braucht erst ein wenig Zeit zum Ausruhen. Also fahren wir erst noch einmal in den Grand Canyon Nationalpark ein. Von einem der Aussichtspunkte dort kann sie sich dann noch einmal in Ruhe und nicht ganz so dramtisch das Naturdenkmal anschauen, welches sie gerade eben durchflogen hat. Hier zu stehen und einfach nur dieses Bild auf sich wirken zu lassen ist nicht minder spektakulär. Glücklicherweise ist hier oben nicht so viel los und so können wir uns einfach Zeit nehmen, uns umzuschauen. Es war ja auch ein Ziel von uns, nicht alles nur an uns vorbeiziehen zu lassen, sondern auch mal inne zu halt, um auch wirklich zu realisieren, was wir gerade erleben. Der Canyon wirkt in seiner Größe zwar mächtig, aber auch friedlich, gerade jetzt mit den schneebedeckten Hängen. Vermeintlich existente Probleme und was einem sonst so wichtig erscheint wirkt an solchen Orten wie es Reinhard einst so treffend beschrieb, nichtig und klein! Man kann sich kaum satt sehen an diesem Anblick. Tanja gelingt es dennoch und nimmt Kurs auf den Giftshop. Spätestens jetzt weiß ich, ihr geht es wieder besser.

Auf der Route 66 fährt ein Truck neben uns vor.

Die Fahrt zurück nach Las Vegas ist wieder sehr anstrengend. Wir wechseln uns erneut beim Fahren ab und machen hin und wieder Pause. Zuhause würden wir ja auch nicht einfach mal 5 Stunden irgendwo hinfahren, um am Folgetag sofort wieder fünf Stunden zurückzufahren. Nun gut so ist es nun einmal jetzt. Ausserdem wussten wir schon bei der Reiseplanung, dass dieser Teil der Reise anstrengend werden würde. Doch alles hat sich gelohnt. Bei meiner ersten Reise zum Grand Canyon vor einigen Jahren habe ich überhaupt nichts gesehen. An einem Tag war der Nebel so dicht, dass ich vom North Rim nichts sehen konnte und am nächsten Tag war der ganze Nationalpark wegen Schnees gesperrt.

Hier wohl nichts Besonderes.

Und das war im sogar später im April. Deswegen hat sich heute wirklich alles gelohnt. Wir machen kurz Rast auf einem Teilstück der Route-66. Jetzt weiß ich, warum die in US-Filmen so oft von Truck reden, wenn sie ihr Auto meinen. Denn gerade dann parkt ein Auto neben uns, welches gefühlt doppelt so hoch ist wie unseres. Wir fahren indes weiter und müssen wieder für ein ähnliches Gefährt bremsen, dieses zieht jedoch zusätzlich gleich noch einen Anhänger auf welchem ebenfalls nochmal zwei ausgewachsene Autos Platz finden. Hier hat einfach alles andere Dimensionen.

Das Venetian wartet schon auf uns.

Letztlich schaffen wir es aber und Tanja und ich fahren wieder auf den Strip von Las Vegas ein. Gestern dachten wir, dass wir niemals wieder in einem ähnlichen Zimmer wie das in Bellagio übernachten würden. Dass diese Aussage genau einen einzigen Tag Bestand haben würde, hätten wir nicht für möglich gehalten. Nachdem wir am Frontdesk – wir haben ja dazu gelernt – wieder brav angeben, zum ersten Mal hier zu Besuch zu sein, kam auch prompt das kostenlose Upgrade auf eine Suite im 26. Stock. Von einer Suite kann eigentlich gar keine Rede mehr sein. Denn unsere Wohnung ist defintiv kleiner als das, worin wir jetzt unseren Fuß setzen. Entree, Gäste-WC, Bar, Esszimmer, Büro, Wohnzimmer, Schlafzimmer, Bad, WC und das alles auf zwei verschiedenen Ebenen. Und das ist es wieder dieses Gefühl, dass dies alles gar nicht real sein kann. Wieder fühlen wir uns wie Stars. Was wir natürlich nicht sind, weil wir unser Hotelzimmer auch im zweiten Versuch nicht im Rausch schlechten Benehmens verwüsten wollen.

Die Eingangshalle des Venetian.

Nur die Aussicht ist nicht ganz so sektakulär wie im Bellagio. Ich mache im Schlafzimmer einen unserer drei Fernseher an. Das Programm ist sogar mal richtig interessant, es geht die ganze Zeit über Kinofilme und deren Protagonisten. Und über die Filme, die bald ins Kino kommen werden. Insbesondere die Behind-the-Scenes Reportagen und Interviews wecken sofort den Wunsch bei mir, solch ein Programm auch zu Hause schauen zu können. Diese Yakuzi Badewanne ist ja sogar noch größer… oh ich weiß, was ich morgen machen werde. Ja, schon wieder!

Die Rezeption mit Venedig Karte im Hintergrund.

Jetzt wollen wir aber noch mal raus und zwar ins alte Las Vegas. Ohne die Fremont Street Experience einmal gemacht zu haben wollen wir Vegas nicht verlassen. Also springen wir wieder ins Auto. Die Fahrt dauert nicht lange. Es ist zweifelsohne eine der Partymeilen schlechthin: Hell, laut und schrill. An der Decke hängt eine gigantische Videoleinwand.

Über uns fliegen Menschen die Decke entlang.

Nein anders, diese Videowall ist eigentlich die Decke. Das darunter stehende Publikum kreischt begeistert zu einem der Bühnen Performances. Während hier gleich mehere Bands Open Air Konzerte geben schwirren einge Menschen an Ziplines befestigt übere unsere Köpfe himweg. Hier gibt es sogar Hotels, die ihre Zimmerfenster in Richtung dieser Straße haben. Wie können die denn hier schlafen. Naja, wahrscheinlich haben sie das an diesem Ort auch gar nicht vor. Wir laufen an recht extravaganten Walking Acts einmal diese Stra.e auf und ab und fahren dann zu unserem Hotel zurück.

Ein „Zimmer“ größer wie unsere Wohnung.

Tanja ist zu müde, um mit mir noch ein wenig durch das Venetian und das angeschlossene Palazzo zu laufen. Aber ich weiß, dass hier nicht nur der Markusturm und die Rialtobrücke im kleineren Maßstab ihren Originalen in Venedig nachempfunden wurde, sondern komplette Wasser-Kanäle Venedigs. Auf denen sogar echte Gondolieri aus Italien ihre Passagiere von Geschäft zu Geschäft oder Restaurant schippern. Um dort hinzukommen fährt man seltsamerweise mit dem Aufzug zur Einkaufspassage nach oben.

Man fährt mit dem Aufzug hoch nach Venedig.

Und tatsächlich: Kaum komme ich auf dieser Shopping- und Restaurantmeile an, fühle ich mich an Venedig erinnert bei Tagesdämmerung. Die Decke ist blau illuminiert, so dass ich – wenn ich nicht hundertprozentig genau hinsehe – tatsächlich glauben könnte, wir seien in der Stadt auf Stelzen. Eine fast perfekte Illusion. Jetzt streife ich noch ein wenig durch die Hotellobby und ihre Casinos.

Prunk im Palazzo.

Lange halte ich es aber auch nicht mehr wach aus. Ich entschließe mich zwar, noch Richtung Palazzo und ein paar Minuten am Strip enflang zu laufen, doch dann geht’s zurück in unsere venezianischen Wohnung. Tanja schläft schon als ich wieder im Zimmer ankomme und ich brauche nicht lange, es ihr nachzutun. Es wird unsere letzte Nacht in der Stadt der Sünde, denn morgen fliegen wir nach San Francisco weiter. Ein weiteres Highlight auf welches ich mich bereits sehr freue.

In den Schuhen laufen kann hier keine.

 

Andreas

Wow 5 Wochen!!! Nach der Hochzeitsreise von Tanja und mir vor drei Jahren in Neuseeland dachten wir eigentlich, dass wir nicht wieder die Gelegenheit bekommen würde nochmal ähnlich lange am Stück auf Reisen zu gehen. Doch sie kam erneut und wir werden sie nutzen, um die Ost- und Westküste der USA sowie Hawaii zu besuchen. Es lässt sich kaum beschreiben, wie sehr wir uns darauf freuen.

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Andreas

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