Categories: New York

102 Stockwerke in 47 Sekunden

Der erste bewusste Moment dieses Morgens lässt es mich schnell erkennen. Die Kraft und Energie hat in meinen Körper zurückgefunden. Ich denke and Disney’s Bilder aus ‚Inside Out‘ und daran, wieviele fleissige Kerlchen heute Nacht wohl damit beschäftigt gewesen sein mochten zu entscheiden, welche der gemachten Erfahrungen des letzten Tages in meinen Erinnerungsregalen verbleiben durften oder welche von diesen sogar als Kernerinnerung im Safe der Gedankenzentrale wegzuspeichern würdig waren. Wie auch immer, ich schwinge mich erstaunlich elegant aus unserem Queensize-Bett, welches Tanja bei jeder Bewegung von mir immer so lustig und so gar nicht königinnengleich auf und ab wippen lässt. Ich ziehe den Vorhang beiseite: Stockfinster. Eigentlich hätte es mir gleich auffallen müssen, dass dieser Tag wohl noch ein wenig länger braucht als ich, sich auszuruhen. Ein Blick auf die Straßen zeigt keinerlei Geschäftigkeit von umherwuselnden gutgekleideten Bankern im Financial District auf ihrem Weg zur Wall Street. Dafür ist’s wohl selbst für sie noch zu früh… oder aber sie haben ihre Büroräume gar nicht erst verlassen.

5.03 Uhr?!? Das malen zumindest ein paar der bereits beschriebenen und in unserem Zimmer wohnenden Mini LED-Lämpchen mit grüner Farbe auf ihr Display. Das ist früh… zu früh eigentlich, um diesem Tagesabschnitt eine geplante Aktion zuzuweisen. Würde ich auch niemals machen und schiebe diesen Umstand geflissentlich dem Jetlag in seine hübschen Lufthansa Schläppchen. Noch dazu sieht es wohl reichlich dämlich aus vor einem Hotelzimmerfenster im dritten Stock in Unterwäsche zu stehen, dessen Scheiben fast bist zum Boden reichen. Um nicht vielleicht sogar wirklich jemanden in den Bürotürmen gegenüber mit diesem Bild zu unterhalten ziehe ich die Vorhänge wieder zu und sacke der Eleganz völlig beraubt ins Bett zurück. Ich vergnüge mich erneut daran, wie Tanja schlafend und unwissentlich herumdoppst.

Heftig wie laut es hier drin ist – fällt es mir plötzlich auf – wie kann ich hier überhaupt schlafen? Die Klimaanlage hört sich an als würde draußen die nette Putzfrau mit einem 3.000-Watt Staubsauger die Flure bearbeiten. Und unser Kühlschrank klingt als ob ihm mal versprochen wurde nach ausgedienter Zeit auf dem Campingplatz mitsamt zugehöriger Gasflasche hier in diesem Zimmer verbaut zu werden, um dort seinen alten Tage in Würde verbringen zu dürfen. Noch dunkel und laut… hin oder her, ich schnappe mein iPad, um ein paar Zeilen vom gestrigen Tag zu schreiben:

Der Tag begann mit Sonne! Tanja war schon wach, lief von einer Zimmerecke zur anderen, redete ganz viele Sachen mit ganz viel Informationen und Details. Es waren Dinge bei denen ich bestimmt zuhören sollte, um später explizit auf die von ihr dargestellten Sachverhalte eingehen zu können. Ich könnte sie dann nämlich so mit Argumenten bestätigen oder diese widerlegen. Auf letzteres sollte ich jedoch angesichts ihrer guten Laune vielleicht doch lieber verzichten. Sie summte, trällerte, sang und machte zwischendurch irgendwas Yoga-ähnliches… glaub ich. Dann kam sie mit einem Kaffee an meine Bettseite und ich zu meiner Aufmerksamkeit: Ich liebe diese Frau! Dann U-turnte sie zurück und gab mir wir wie jeden Morgen all diese Resultate ihrer Gedankenarbeit preis, was wir so tun könnten oder lieber lassen sollten, verschiedene Optionen mit dazu passendem pro und contra. Wie machte sie das eigentlich? Ich schlafe nachts. Hat sie unfairerweise Zugriff auf das, was sie nachts durchdenkt bzw geradezu beackert? Ich versuchte ihr zu folgen, schlürfte meinen Kaffee und schaute dabei in die Sonne, die sich auf den Scheiben der Hochhausflächen spiegelte. Tanja kam aus dem Off zurück mit einem halben Schälchen Obst und Blutorangensaft in ihren Händen. Sie ist so toll!

One World Trade Center.

Außer dem Nicken auf ihre Frage, ob’s mir schmeckt war ich sogar zu folgendem Vorschlag fähig: „Wollen wir bei dem Wetter das One World Trade Center Observatory besuchen und die Aussicht genießen und danach zum Times Square fahren?“ Sie fand diese Idee richtig gut und auf ihre Frage, ob es denn angebracht sei, eine Sonnenbrille mitzunehmen konnte ich sogar mit einem ganz spontanen „Ja sicher, ganz bestimmt!“ punkten.

Komplett in Winterpulli, Schal, Stirnband, Mütze, Handschuhe und Windblocker-Jacke versteckt zogen wir los… oder versuchten es zumindest. Denn auf dem kurzen Weg rüber bekamen wir die berüchtigten New Yorker Fallwinde deutlich zu spüren. Einer Schulklasse, die vor uns aus einem Bus ploppte, ging es ähnlichund hatte sichtlich Spaß daran, sich gegen die Böhen zu stemmen. Sehr angenehm war der Schritt ins Innere des WTC-1. Da es hier wie scheinbar in jedem öffentlichen Gebäude frei zugängliche WiFi-Hotspots gab, installierten wir erst einmal flux die Observatory-App, buchten zwei Tickets und sollten wie beim 9/11-Memorial einen dem am Flughafen ähnlichen Check auf Unerlaubtes hinter uns bringen. Danach folgte eine einzigartige Fahrstuhl-Erfahrung, die schwer je zu toppen sein wird und das ohne dass wir dafür zuvor an einer Warteschlange hätten anstehen müssen. Der Power-Lift hatte drei Bildschirme als Wand und führten den Fahrgast aus dem Inneren des Gebäudes. Sie zeigten das äußere Gelände in der dabei exakten Höhe auf der man sich eigentlich im Aufzug bei seiner Fahrt nach oben befand. Doch nicht nur das, auch die zeitgeschichtliche Entwicklung der Stadt wurde dabei in Zeitraffer gezeigt. So sahen wir New york sprichwörtlich in den Himmel wachsen. Auch die Twin Towers blitzen dabei für ein paar Sekunden mächtig neben uns auf. Es ist schwer zu beschreiben… auf dem Jahrmarkt hätte man für diesen 47-sekündigen Ride durchaus Eintritt verlangen können.

Hätten wir nach dieser kurzen Fahrt nicht das Schwanken des Turms deutlich gespürt wäre es kaum zu glauben gewesen, dass wir im 102. Stock auf etwa 410m Höhe angekommen waren. In Ingolstadt fühlte es sich zumindest stets so an, als ob der dortige Aufzug des Hintereingangs seinen Passagier in gleicher Zeit etwa einen halben Meter auf das Level der Büros zu bringen imstande ist. Hier wurden wir nach diesem Schuss nach oben zunächst einmal vor eine längliche Wand geführt, auf der schnell geschnitten Filme und Fotos das quirlige New York portraitierten. Plötzlich brach diese Wand auf und gab den beeindruckenden Blick auf die Skyline von New York frei. Ein echtes Erlebnis. Perfekt inszeniert für das höchste Gebäude der USA und dem vierthöchsten Gebäude der Welt. Das war in Spocks Worten gesprochen wahrlich: Faszinierend!

102. Stock: Aussicht nach Liberty Island.

Wir verbrachten den halben Tag an diesem Platz und unsere Kameras liefen heiß. Wir snackten dort – natürlich viel zu teuer und vermutlich auch nur, um später einmal stolz behaupten zu können, an diesem exponierten Ort Kaffee getrunken zu haben. Es ist ein wirklich ein unglaubliches Gebäude: Modern, schlank und elegant zugleich. Dessen Statur wirkt verdreht oder an dem Umrisskanten abgeschnitten. Ich empfinde die Architektur als sehr gelungen, zeitgemäß und zeitlos. Das Wetter war bei dieser Inszenierung jedoch nicht uneingeschränkt heiter. Im Gegenteil neben der Sonne zogen vom heftigen Wind getrieben dichte Wolken am Himmel vorüber und zeichneten mit ihren Lücken schöne Sonnenmuster auf Hudson- und East River. Dabei tauchten sie auch Liberty und Ellis Island von Zeit zu Zeit in bedeutsames Licht. Vieles ist ist von hier sehr gut zu erkennen: Empire State Building, Chrysler Building, Times Square, aber auch die Brooklyn Bridge und die Freiheitsstatue. Natürlich versäumte einer der emsigen Mitarbeiter nicht, mir ein  ein Info iPad kostenpflichtig in die Hand zu drücken, die uns per Augmented Reality App die jeweiligen Infos zu wichtigsten der 50.000 sichtbaren Bauwerke näherbrachte, die von hier oben zu sehen waren.

Blick auf die NYC Skyline.

In einer nicht minder spektakulären Fahrt ging es für Tanja und mich wieder nach unten und kaum spuckte uns das WTC-1 wieder aus  wurden wir quasi von selbst in Richtung World Trade Center Oculus Station geweht. Nicht nur von außen, vielmehr noch von innen wirkte sie organisch und skelettartig. Bei ihrer Durchquerung hatte ich ein wenig den Eindruck durch das Innere eines riesigen ausgestorbenen prähistorischen Walfischs zu laufen. Nach einer U-Bahn Fahrt empfing uns der Times Square. Sofort passierten unzählige Filmausschnitte an mir geistig vorüber, am präsentesten der von Vanilla Sky als Tom Cruise hier völlig allein auf diesem Platz stand. Dieser war heute aber alles andere als leer und erinnerte mich – was die Lampen- und Leuchtenanzahl sowie die Helligkeit der Werbetafeln anging – ein wenig an meinen Las Vegas Besuch vor ein paar Jahren.

Hardrock Cafe am Times Square.

Der Times Square war nicht nur bevölkert, sonder auch schweinekalt. Dies hielt den Naked Cowboy – welchen Tanja und ich schon vor paar Tagen per Webcam gesehen hatten und welcher nur mit Stiefeln, einer Unterhose und Gitarre bekleidet war –  nicht davon ab, vergnügt weiterzuleben. Keine Ahnung, wie er das schaffte. Natürlich liefen wir abermals auf und ab mit stetigem Blick nach oben. Plötzlich wusste ich auch, warum die extreme Weitwinkelfähigeit meiner GoPro vielleicht doch einen sinnvollen Einsatzzweck gefunden haben könnte.

Schnell war es uns so kalt, dass wir bald darauf im nahegelegenen Hardrock Cafe Zuflucht finden „mussten“. Wir aßen soooo gut aber nicht ohne zuvor eines dieser kitschigen Tourifotos gemacht zu haben, die man in den USA quasi an jeder Ecke aufgeschwätzt bekommt. Was für leckere Käse-Nachos und welch ein ultraleckerer Cocktail aus Mango und Erdbeeren. Sehr erheitert hatte uns auch die Tatsache, dass wir bei der Bestellung eines Black Coffees – auch diesmal wieder – immer diese winzigen Strohhälmchen gereicht zum Umrühren dazugereicht bekamen. Fetzt dann mehr das Koffein, wenn ich den heißen Kaffee so in mich hineinsaugte? Noch lustiger war aber, dass ich beim Double sogar zwei davon bekam. Zwei?? Okay, dieses Rätsel blieb an diesem Tag wohl ungelöst.

Strohhalm zu Umrühren: Sehr wichtig.

Ich hätte mir schon Sorgen gemacht, wenn Tanja aus dem Hardrock Cafe des Times Square nicht ohne entsprechendes Top oder T-Shirt entschwunden wäre. Doch glücklicherweise waren auch diese Sorgen völlig unbegründet. Draußen machten wir noch ein paar weitere Fotos bevor wir mit Subline R wieder gen Dontown und Hotel gefahren wurden…

NYC Times Square: Rockt.

 

 

 

WTC-1 Fakten:

Die Baukosten des One World Trade Centers belifen sich auf 3,8 Milliarden US-Dollar, es 541,32 Meter hoch oder 1776 Fuß (in Anlehnung auf das Jahr der Unabhängigkeitserklärung im Jahr 1776). Der Turm steht auf einem massiven Fundament aus Beton, das fast 60 Meter in die Erde reicht. Die Wände bestehen aus bis zu 90 cm starkem Beton und einem Stahlkorsett. Der Sockel (die ersten 60 Meter des Gebäudes) ist außen komplett mit Glas und rostfreiem Stahl verkleidet, ebenso die Fassade bis zum Dach. Dieses spezielle Glas ist ebenfalls sehr massiv. Das Glas des Sockels soll die Umgebung widerspiegeln. Aufzüge, Treppenhäuser und Versorgungsschächte sowie Leitungen befinden sich im Inneren. Umgeben sind diese von sehr massiven Schutzwänden aus Beton, die ebenfalls bis 90 cm stark sind. Das eigentliche Bürogebäude ist bis zum Dach 417 Meter hoch. Dies entspricht der Dachhöhe des Nordturms des alten World Trade Centers. Über dem Dach folgt eine Art Ring, an dem einige Stahlseile die in der Mitte aufragende Spitze halten. Dieser Ring ragt bis zu einer Höhe von 427 Metern auf. Das 1 WTC hat insgesamt 104 Etagen, die eine Fläche von rund 325.000 Quadratmetern bieten. Es gibt 70 Büroetagen. Auf dem Dach wurde eine 124 Meter hohe Spitze installiert, womit die Gebäudehöhe von 541 Meter (1.776 Fuß) erreicht wird. Die Spitze hat an ihrem unteren Ende einen Durchmesser von fünf Metern, nach oben hin verjüngt sie sich leicht. Durch zusätzliche Stahlseile am unteren Ende, die auf dem Ring am Dach befestigt sind, soll die Stabilität des massiven Mastes gewährleistet werden. Nachts wird die Turmspitze mit einem großen Lichtstrahl über den Himmel von New York City beleuchtet. Im Kern des Gebäudes sind 73 Aufzüge installiert, davon 54 für Personen, die damit das höchste Geschoss in 30 Sekunden erreichen.

Andreas

Wow 5 Wochen!!! Nach der Hochzeitsreise von Tanja und mir vor drei Jahren in Neuseeland dachten wir eigentlich, dass wir nicht wieder die Gelegenheit bekommen würde nochmal ähnlich lange am Stück auf Reisen zu gehen. Doch sie kam erneut und wir werden sie nutzen, um die Ost- und Westküste der USA sowie Hawaii zu besuchen. Es lässt sich kaum beschreiben, wie sehr wir uns darauf freuen.

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Andreas

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