Mit den Fackeln im Sturm

Irgendwas schwereres liegt auf der Bettdecke an meinen Beinen… denke ich noch bevor ich die Augen öffne. Nachdem sich meine Augenlieder heben und den Blick auf den Tag freigeben entdecke ich den Grund: Die Katzen des Houses Precious und Passion liegen auf uns verteilt und schnurren friedlich. Der Tag beginnt also schon mal entspannt und so ganz langsam schaffe ich es sogar ohne nächtliches Aufwachen im Reich der Träume zu verbleiben. Als Tanja und ich aus dem Bett ins Wohnzimmer schlurfen stehen wir erstmal zweisam in der Küche. Was gut ist, zumindest für mich. Denn es ist stets der Ort eines dunklen Lebenselixiers namens Kaffee. Ach, ich mag diese Maschine die mir als Quelle diesen Trank zu spenden vermag. Er fließt genussversprechend in eine riesige Tasse. Ich nippe an dem viel zu heißen Bohnensaft und freue mich. Mit dem Bottich in der Hand setze ich mich auf die Couch und fordere Amazons Echo heraus. Der schwarze Punkt hört hier in den USA noch viel besser im Englischen als bei uns mit deutscher Sprache. Bis Verena zu uns kommt, hat Alexa prompt alle Songs abgespielt, die ich von ihr hören wollte.

Verena sagt, dass es mit Boone Hall und einer Führung über die populäre Plantagen-Anlage heute klappen wird. Sofort habe ich die Bilder von „Fackeln im Sturm“ oder „North and South“ wie sie im Original heißt im Kopf, die ich als Kind so gern mit meiner Mutter zusammen im Fernsehen gesehen habe. Wir stücken früh und fahren in einer halbstündigen Autofahrt zur Boone Hall Plantation. Der Slang des Mannes, der uns an der Schranke zur Anlage empfängt ist sagen wir mal signifikant. Robert der des muttersprachlichen Englischs ja mächtig ist versteht zwar einige Wörter; ist offensichtlich aber auch nur bedingt in der Lage diese zu einem Sinn ergebenden Satz zusammenzufügen. Er quittiert die gesprochenen Geräusche des Mannes mit einem höflichen „Thank you, Sir“ und fährt zielstrebig irgendwohin. Dann biegen wir in die zumindest für mich so sehr bekannte Oak Tree Allee ein mit 36 auf der einen und 37 über 300 Jahren alten Bäumen auf der anderen Seite. Sie hat ein opulentes Herrenhaus an ihrem Ende und ich weiß sofort hier sind hier richtig.

Wir parken direkt vor ein paar Buschreihen von Baumwolle-Pflanzen und als ich die weißen fasrigen und stoffartigen Früchte in meinen Fingern habe schaue ich ähnlich erstaunt, wie Vivien die anscheinend genauso interessiert ist an den flauschigen Büscheln wie ich. Es wirkt so, als wäre diese Baumwolle schon irgendwie verarbeitet und nicht wie der ursprüngliche Rohstoff aus welchem die meisten unserer Kleider gemacht sind. In nahegelegener Touri-Info riecht es seltsam nach Toiletten Urinstein. Was wohl daran liegt, das es auch eine ist mit angeschlossenem Info-Desk zu den Führungen der Anlage. Wir erfahren, dass die nächsten Führungen nur ein paar Meter sowie wenige Minuten von uns entfernt ist und schlendern dennoch gemütlich zum Eingangsportal des Hauses. Ich lausche dem beeindruckend lauten Organ einer Frau, die im Kleid einer Dame aus der Zeit der Bürgerkriegs gekleidet ist. Während sie uns auf Boone Hall willkommen heißt fällt mir auf, dass sich auch das Wetter zunehmend dazu entschließt, der typischen Südstaaten Atmosphäre zu entsprechen. Es legt einen unscharfen schlierig verwaschenen Teint auf. Dieser als Hintergrund der mächtigen Bäume passt sehr gut zu diesem Ort.

Wir streifen durch das Gebäude und bekommen von der Frau im Kleid eine unfassbare Menge an Informationen an die Hand bzw. an die Ohren, von denen ich – wie bei jeder Führung – so gut es geht versuche, sie mir einzuprägen. Ich stelle mir vor, wie privilegiert die Damen und Herren des Hauses – von Sklaven bedient – durch diese reich ausgestatteten Räume schritten. Die Führung geht in etwa eine halbe Stunde was genau der Dauer entspricht, die ich einigermaßen verarbeiten kann ohne von der mich treffenden Informationsflut abgetrieben zu werden. Verena, Tanja, Vivien, Robert und ich treten über die Gartenterrasse ins Freie und visieren die kleinen Häuser und eine nicht größere Kirche der einstigen Sklavenarbeiter an, die hier das „Privileg“ hatten, nach einem 12-14 stündigen Arbeitstag auf dem Feld, ein Dach über dem Kopf zu haben. Wieder einmal wird hier Geschichte so sichtbar und so spürbar, dass es in mir dasselbe unwohle Gefühl in der Magengegend aufkommen lässt, welches ich schon am 9/11 Memorial in New York hatte. Wir möchten eine Tramtour machen, hier heißt das mit einem fahrbaren kubischen Vehikel mit rotem Dach durch die Felder und die Geschichte zu zuckeln.

Bevor wir diese beginnen möchten wir uns kurz aber noch im Butterfly Cafe stärken. Aber Fehlanzeige: Sämtliche Sandwiches sind ausverkauft. Wir schnappen uns ein paar Snickers für die abenteuerliche Fahrt über die Plantage und stellen uns danach sofort in der sich bildenden Warteschlange an. „Es sieht so lustig aus!“, meint Verena, die wenig später von den Restrooms des Cafes kommend zu uns aufschließt. Während wirklich alle entnervt nach den winzigen Fliegen mit blossen Händen oder irgendwelchen Hilfsmitteln wie wild um sich schlagen, stehen wir – einem Rat von Robert folgend – seelenruhig dastehen und warten. Am Parkplatz meinte er nämlich noch, dass wir hier auf keinen Fall unterwegs sein sollten ohne uns vorher von Kopf bis Fuß mit Mückenspray eingesprüht zu haben. Das war eine gute Idee, wie sich jetzt herausstellt. So warten wir gemütlich und machen schadenfröhlich Bilder von unseren leidenden Mitmenschen. Schließlich knattert eine Tram an uns heran und bittet um eine Fahrt mit ihr. Diese Offerte schlagen wir ihr nicht aus und fuhren mit. Vivien kaperten wir mit nach hinten, weil aufgrund des sich so schnell gefüllten Gefährts kein Platz mehr für uns alle in einer Reihe zu finden war. Die Tour gestaltet sich durch die Ausführungen unseres Fahrers als kurzweilig und sehr interessant. Doch als diese endet müssen wir uns etwas etwas sputen, den Robert hatte das Glück für diesen Abend über Beziehungen an günstige Icehockey-Karten im Northern Charleston Coliseum gekommen zu sein. Und diese Gelegenheit wollte sich natürlich keiner von uns entgehen lassen. Ich persönlich war noch niemals bei einem Icehockey Spiel und freue mich sehr darauf.

Nachdem wir das beeindruckende Gelände der Boone Hall Plantation verlassen fahren wir zuerst noch mal kurz zu Verena und Robert nach Hause, lassen Hund Jimmy ein wenig durch die Gegend springen und essen noch ein Sandwich. Ein paar Arbeitskollegen und Freunde von Robert sind auch eingetroffen, um sich hier zur gemeinsamen Weiterfahrt zur Eishalle zu treffen. In einer nicht vorhandenen Logik werden die Autos dort zum Parken von Männern mit Leuchtstäben zu Parkplätzen gelotst und zu Plätzen, die zumindest ein wenig danach aussehen. Dass das Parken ohne Leuchtmänner vermutlich schneller gehen würde bleibt jetzt einfach mal unerwähnt. Wir kommen bei der Halle an und durchlaufen etwas, was vermutlich nur den Anschein erwecken soll, als ob dies eine Sicherheitskontrolle sei. Gewesen ist es keine.

Auf dem Eis macht hier dann aber gar nichts mehr nur einen Eindruck. Hier ist es einfach so, wie es auch aussieht: Es geht ruppig und spannend zu. Ein tolles Erlebnis und eine klasse Erfahrung, einmal so hautnahn mit dabei zu sein. Jedes Mal wenn die South Carolina Stingrays gegen die Manchester Monarchs ein Tor erzielen tobt die Menge, genauso als das Endergebnis von 5:3 für die Stingrays nach den dritten 20 Minuten feststeht. Beim Verlassen der Halle verabschieden wir uns kurz von Roberts Freunden und stellen dann verschiedene Theorien auf, wo denn nun das Auto geparkt sein könnte. Am Ende sollte Verena Recht behalten und wir fahren zurück nach Hanahan. Kurz bevor wir in die Wohngegend einbiegen kommen wir an einem kleinen Teich vorbei bei dem wir am Tag zuvor dem orangefarbenen Alligator, in der Gegend liebevoll „Tic Tac“ genannt, beim Sonnen zuschauen konnten. Beachtlich, dass es die Menschen hier dennoch nicht davon abhält, am gleichen Teich zu angeln. Ich frage mich, ob sie sich das beim Kaliber eines Charlies, einem 4m-Alligator in der Nähe von Roberts Arbeitsplatz, auch getraut hätten. Vor allem als ich von Verena hörte, dass hier auch mal gern ein Hund beim Spazierengehen vom Alligator ins Wasser gezogen wird.

Das Auto wird von Robert in die Auffahrt gestellt. Wir sind Zuhause, denn so fühlt es sich bei Verena schon nach kurzer Zeit an. Wir vertilgen, das was vom leckeren Abendessen des Vortags übrig geblieben ist, um dann totmüde ins Bett zu fallen Mit dem Gedanken, wie schön der Tag gewesen ist schlafe ich ein.

Andreas

Wow 5 Wochen!!! Nach der Hochzeitsreise von Tanja und mir vor drei Jahren in Neuseeland dachten wir eigentlich, dass wir nicht wieder die Gelegenheit bekommen würde nochmal ähnlich lange am Stück auf Reisen zu gehen. Doch sie kam erneut und wir werden sie nutzen, um die Ost- und Westküste der USA sowie Hawaii zu besuchen. Es lässt sich kaum beschreiben, wie sehr wir uns darauf freuen.

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Andreas

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